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Nichts auf Biegen und Brechen durchziehen

Podiumsdiskussion beleuchtet den Umgang mit der bayerischen Landschaft

Der Frage „Wem gehört die bayerische Landschaft? – Fremdenverkehrsindustrie und Landschaftsverwertung“  hat   sich  die   „Akademie  der  schönen  Künste“  in  München  am      
12. November 2008 gewidmet. Mit großem Interesse verfolgten auch einige Mitglieder vom „Verein zum Erhalt der historischen Bau- und Landschaftsstruktur in Garmisch-Partenkirchen e.V.“ (VEHBL) die lebhafte Podiumsdiskussion zwischen Fachleuten aus den Bereichen Landschaftsarchitektur, Denkmalpflege, Verwaltung und Verwaltungsrecht.

„Der Schutz der Kulturgüter und der Landschaft ist ein Staatsziel“, das stellte Winfried Nerdinger in seinem einleitenden Vortrag fest. Der Leiter des Architekturmuseums und Professor für Architekturgeschichte an der TU München betonte, diese in der Verfassung verankerte Maxime zöge eine Grenzlinie zur Wirtschaftsförderung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Mit der Vorstellung der umstrittenen Hotelprojekte „Gut Kaltenbrunn“ am Tegernsee und „Hotel Edelweiß“ in Berchtesgaden lieferte er die Diskussionsgrundlage. Beide Bebauungspläne wurden jüngst durch Popularklagen und die daraus resultierenden Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verhindert.

Dessen Vorsitzender Richter, Michael Happ, erläuterte hierzu, dass ein Bebauungsplan erst nach einem gründlichen Abwägungsprozess von Seiten der Gemeinde erstellt werden könne. Finde eine solche Abwägung des geplanten Vorhabens nicht ausreichend statt beziehungsweise wurde ein Aspekt – wie zum Beispiel der Schutz des Ortsbildes oder der Landschaft – fehleingeschätzt, könne jeder Bürger das gemeindliche Vorhaben mittels Popularklage stoppen. Sein Rat an die Gemeindevertreter lautete daher, im Vorfeld alle Aspekte sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls zusammen mit der Bevölkerung eine Lösung zu erarbeiten.

„Landschaft gehört dem Wir, also der Gesellschaft“ – diese These vertrat Regine Keller, Professorin am Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur der TU München. Daher, sei es wichtig, betonte auch sie, nicht nur die Investoren, sondern auch die Bürgerschaft bei der Planung zu beteiligen. Außerdem müssten die Verantwortlichen in den Gemeinden ein Gespür für eine der Landschaft angepasste Architektur bekommen. Der Blick in die Schweiz lohne sich, sagte Keller. Dort entstehe innovative Tourismusarchitektur unter Verwendung von einheimischen Materialien. Das sei der richtige Weg, denn: „Der Tourismus will eine bäuerliche Kulturlandschaft sehen“.

Das bestätigte auch Franz Rasp, Erster Bürgermeister von Berchtesgaden, der sich momentan intensiv mit der Neuplanung des gestoppten Hotelprojekts beschäftigen muss. Er plädierte dafür, sich „externen Sachverstand“ in die Region zu holen. Die Marktgemeinde Berchtesgaden habe nach dem Scheitern des Hotelprojekts nun Städteplaner und Architekten beauftragt, die sich mit der Frage auseinanderzusetzen „Wie planen wir, dass es gut für uns ist?“ Die Antwort konnte Rasp dem Publikum aus seiner Erfahrung heraus selbst geben: „Man sollte ehrlich planen, nicht ‚auf alt' machen, sich für die Planung Zeit nehmen und nichts auf Biegen und Brechen durchziehen.“

Für Prof. Egon Johannes Greipl, Generalkonservator des Bayerischen. Landesamtes für Denkmalpflege, ist es eine „problematische Entwicklung“, dass sich inzwischen immer mehr Gerichte anstelle der Gemeinden und Landratsämter mit dem Schutzgedanken beschäftigen. Die Ursache dafür sieht Greipl in einem Mangel an Bildung und Wertebewusstsein bei den verantwortlichen Stellen. Er kündigte in diesem Zusammenhang eine groß angelegte Weiterbildungsmaßnahme für die ihm unterstellten unteren Denkmalschutzbehörden an. Dem Denkmalschutz als „Anwalt der historischen Substanz“ müsse es gelingen, sich verantwortungsvoll in die jeweilige Interessenslage hineinzudenken.